Freitag, 1. Juli 2011

Reisen erweitert den Horizont

Aus gegebenem Anlass heute ein Thema, bei dem wirklich jeder mitreden kann. Oder besser gesagt, ein Thema, über das sich so gut wie niemand nicht nicht-aufregen kann.
Die Rede ist natürlich von niemandem Geringerem als einem der größten deutschen „Servicedienstleister“ - der DB, was ursprünglich mal für Deutsche Bahn stand. Mittlerweile werden in diese zwei großen roten Buchstaben aber auch liebevolle Kosennamen, wie z.B. Drecksbahn – mein persönlicher Favorit – interpretiert. Dass dieser Name nicht ganz an den Haaren herbeigezogen ist, wurde mir heut wieder einmal wunderbar unter Beweis gestellt.
Ich stehe am Hauptbahnhof und warte auf den Zug nach Hause. Start des Zugs war in einem für mich unausprechbaren Ort in Polen. Ziemlich leer auf dem Gleis, dachte ich zumindest bis eine 50-Mann starke 60+ Gruppe das Gleis stürmte. Wie eine Horde Geier stürzten sie sofort zum Wagenstandanzeiger, um sich dann zwischen Bereich C und D des Gleises breit zu machen, um auch ja einen Sitzplatz abzubekommen. Ich freundete mich in Gedanken schon mit dem mir bereits sehr vertrauten 3. Klasse Comfort-Platz auf dem Gang vor der Toilette an, als dann eine Ansage noch eins drauf setzte: „Wegen verspäteter Übergabe aus dem Ausland, verspätet sich der Eurocity 248 um vorraussichtlich 20 Minuten.“ Super!
Aber auch das brachte mich noch nicht aus der Ruhe. Geduldig stopfte ich mir die Kopfhörer meines zerkratzen iPod Nanos in die Ohren und wartete... und wartete... und wartete. Die Rentnergruppe wurde immer unruhiger und scharte nervös mit ihren Gehhilfen aller Art auf dem Boden herum. Doch dann! Ein Licht am Ende des Tunnels. Es kam näher und näher und... fuhr vorbei. Alles sprang auf und rannte dem Zug hinter her, der dann irgendwo weit hinter Abschnitt F zum stehen kam. Die Senioren – völlig außer Atmen sollte man meinen – fanden in ihren Lungen trotz des spontanen Sprints noch immer die Kraft lauthals zu meckern, was auch erst 20 Minuten später an der nächsten Station (Spandau) wieder abebbte. Ich nehme an, dass das auch nur dem Schaukeln des Zugs zu verdanken war, der die meisten von ihnen einfach in den Schlaf gewogen haben wird.
Beim Einsteigen in den Zug stellte ich schon fest, dass ich in einen Wagon der polnischen Eisenbahngesellschaft geraten bin. Woran ich das merkte? Toilette defekt, kein Licht im Zug (was schon sehr unpraktisch bei der Platzsuche ist, wenn der Zug in Hbf (tief) hält) und – das wohl offensichtlichste Merkmal – polnische Werbung, egal wohin man sah. Wobei... das konnte ich erst erkennen, als wir die Katakomben des Hauptbahnhofs verlassen hatten und das Tageslicht den Wagon erhellte.
Prompt gab’s auch eine völlig unverständliche Ansage des Schaffners in einer Sprache, die sich schon etwas nach Deutsch anhörte, gefolgt von einem furchtbar schlechten und grammatikalisch dermaßen inkorrekten Englisch, wie es nur die Deutsche Bahn in petto hat.
Zwei Reihen hinter mir auf der anderen Seite des Gangs saß ein Mann, der sofort seinen Laptop aufklappte, nachdem er Platz genommen hatte, um danach sein Handy raus zu wühlen und die gesamte Strecke von Berlin bis zu meiner Heimatstadt lautstark zu telefonieren. Das tat er in einem sehr auffälligen Berliner Dialekt, den ich sonst wirklich über alles liebe. Aber er hat’s übertrieben. Wie kann man als Mann denn bitte eineinhalb Stunden am Stück telefonieren? Und um Himmels Willen, welchen Anbieter hat der bloß, dass er in diesem riesigen Funkloch namens Sachsen-Anhalt Empfang hat?
Direkt neben mir saß eine Frau, die ein Buch mit dem Titel „Werde Eins mit deinen Visionen“ laß und der Meinung war, mir dessen Inhalt 1:1 wiedergeben zu müssen. Sieht die denn nicht, dass ich Kopfhörer in den Ohren habe? Ich nickte freundlich und drehte unauffällig den iPod lauter. Ich hörte sie trotzdem... und den Dauertelefonierer. Wieso gab es in diesem Zug denn nicht auch so eine tolle „Psst“ Zone wie in den ICE’s?
Und als ich dachte, schlimmer kann’s nicht mehr werden, fiel mein Blick auf einen Sicherheitshinweis an der Scheibe neben mir. Stark ist der, der auch in den schlimmsten Situationen noch Humor beweist. Ich laß, grinste und mir war klar: so wie die Deutsche Bahn kein Englisch beherrscht, ist die Polnische Bahn der deutschen Sprache nicht mächtig.
In diesem Sinne: „Sänk ju for träweling wis Deutsche Bahn. Goodbye and auf Wiedersehen.“


2 Kommentare:

  1. dieses riesige Funkloch namens Sachsen-Anhalt... Steff, du schreibst zum Schreien komisch - und das selbst mit Bauchweh um 01:38!!

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  2. kann mich da nur anschliessen, was ich bei deinen texten am schmunzeln bin, is schon toll. Immer diese Wortwahl! alles super :P

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