Mittwoch, 2. November 2011

Die Zukunft gehört den Idealisten

Im Moment frage ich mich oft, wo es für mich hingehen soll. Ich hab bisher ziemlich viel von dem erreicht, was ich mir vorgenommen habe – mehr oder weniger. Aber irgendwie bin ich damit nicht zufrieden. Ich bin viel zu jung um jetzt schon aufzuhören, nach etwas Höherem zu streben, nach etwas, das mich glücklicher macht. Also stelle ich mir zum wahrscheinlich hundertsten Mal die Frage: Wer bin ich und wer will ich sein?

Was für ein Typ Mensch bin ich überhaupt? Ich denke viel, schätze mich als sehr vernünftig ein und wäge Entscheidungen oft viel zu lange ab, vor allem Entscheidungen, bei denen es eigentlich nur eine Antwort gibt. Aber selbst die mache ich zu einer stunden- bis wochenlangen internen Diskussion zwischen mir und meinem inneren Schweinehund, bei der es dann nur um das Mach-ich-es-oder-mach-ich-es-nicht geht. Auf der anderen Seite entscheide ich bei den wirklich wichtigen Fragen meist eher nach Intuition und Gefühl. Immerhin bin ich ein Mensch und keine kühl berechnende Maschine. Alles in allem halte ich mich auf jeden Fall für einen sehr umgänglichen Menschen. Ich hab einen riesigen Haufen gutes Karma angehäuft. Nur scheint sich das nicht mit dem Spiegel zu vertragen, den ich zerbrochen hab als ich 15 oder 16 war.

Auf den ersten Blick bin ich zwar nicht unbedingt der Typ, der sich auf einer Party gleich auf jeden Fremden stürzt um zu quatschen, aber wenn ich genauer darüber nachdenke suche ich schon sehr stark den Kontakt zu anderen Menschen. Ich konzentriere mich dabei aber eher auf wenige. Ich suche tiefe Freundschaften statt flüchtige Kontakte. Wenn ich mich jetzt nicht völlig überschätze, bin ich für diese Auserwählten sogar ein ziemlich guter Freund. Ich bin recht offen und für alles zu haben vom Pferdestehlen bis hin zu ernsthaften Gesprächen. Man kann mit mir über alles reden, ohne dass ich vorschnell urteile. Ich höre zu, versuche mich in die Situation des anderen hinein zu versetzen und gebe dann meinen Senf dazu ab, wie ich an Stelle des Freundes handeln würde. Natürlich ist man nicht immer einer Meinung, aber durch den Gedankenaustausch findet man oft zu seiner eigenen Lösung. Außerdem, wer bitte hält sich denn schon immer selbst an seine Ratschläge? Ich tu es zumindest nicht, da bin ich ganz ehrlich. Trotzdem kommen Freunde oft zu mir und bitten mich um Rat. Mein Opa hat oft gesagt, ich hätte eine gute Menschenkenntnis und könne in das Herz der Menschen sehen. Früher hab ich das nicht ernst genommen, aber vielleicht hatte er gar nicht so unrecht wie ich auch schon in meinem vorletzten Blogpost festgestellt habe.

Photo by Tal De Vil
 
Allein, dass ich jetzt über dieses Thema schreibe und mir darüber Gedanken mache, wie es weiter gehen soll, zeigt mir, dass ich in einem ständigen Prozess des Werdens bin. Ich erreiche einfach nie die Bergspitze. Ich muss immer weiter klettern, mache vielleicht mal kurz Rast, aber dann lichtet sich die Wolkendecke und ich sehe, dass es noch viel höher geht. Ich weiß zwar nicht, was da oben ist, aber ich will dort hin. Ich suche bei meiner Arbeit nach Selbstverwirklichung und in meinem Leben nach der vollkommenen Beziehung. Von beidem bin ich Lichtjahre entfernt. Trotzdem möchte ich das Nonplusultra. Aber dabei kann ich nicht mal sagen, was genau ich nun wirklich will. Ich hab einfach kein richtiges Ziel. Ich suche es noch. Und ich glaube, dass das Ziel an sich gar nicht mal der springende Punkt ist. Viel zutreffender finde ich für mich den Spruch: „Der Weg ist das Ziel.“ Ich möchte immer zurückblicken können und sehen, was ich schon erreicht habe. Ich will mich nicht einordnen, sondern immer in Bewegung bleiben, was meine Entwicklung betrifft.

Ich bin ein Idealist. Ich möchte eine besondere, unverwechselbare Identität haben. Ich möchte meinem Leben Bedeutung geben. Das heißt nicht, dass ich Dritte-Welt-Länder missionieren will oder mich an die Schienen kette, wenn der Castor-Transport wieder rollt. Aber ich möchte etwas tun, das für mich bedeutsam ist. Ich möchte den Menschen etwas geben und ganz kitschig gesagt unsere Welt zu einer besseren machen – eben auf meine Weise.

Aber im Moment stehe ich in einer Sackgasse. Ich muss einen anderen Weg finden um weiter zu kommen. Genau an diesem Punkt war ich vor eingen Tagen noch und der machte mir ziemlich Bauchschmerzen. Jetzt bin ich schon wieder einen Schritt weiter und sehe eine neue Möglichkeit, die sich mir eröffnet. Es ist wie das berühmte Licht am Ende des Tunnels und ich finde es aufregend darauf zuzulaufen und herauszufinden, was das dort am Ende des Tunnels ist, das da so schön leuchtet. Ich genieße die neue Herrausforderung regelrecht. Natürlich habe ich Angst das nicht zu schaffen, am Ende enttäuscht zu sein und dabei in der Masse – und das sind immerhin 7 Milliarden Menschen – unterzugehen. Ich will nicht einer von vielen sein. Mir ist bewusst, dass das alles nach außen arrogant wirken muss, aber so fühlt es sich an. Ein Glück, dass ich diese Überheblichkeit nur vor mir selbst rechtfertigen muss.


Mein Weg ist noch lange nicht zu Ende. Es wird Tiefschläge aber auch Erfolge geben. Wie ein chinesisches Sprichwort aber sagt: „Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.“ Ich sehe mich dabei zwar oft als Einzelkämpfer und oft fühle ich mich auch sehr allein, vor allem in den Momenten, in denen ich an mir und meinen Entscheidungen zweifle, aber ich weiß genau, dass ich das nicht bin. Es gibt so viele Menschen, die hinter mir stehen und mich unterstützen. Das muss ich mir nur immer wieder bewusst machen, wenn ich in meiner Melancholie der Bedeutungslosigkeit versinke. Meine Familie stand und steht voll und ganz hinter mir, was nicht selbstverständlich ist, und das schätze ich sehr. Genauso wie die handvoll wirklich guter und enger Freunde, die ich habe. Und weil ich gerade so auf Sprichwörter abfahre, kommt hier noch eins – es ist das letzte, versprochen! „Freunde sind wie Sterne. Du kannst sie nicht immer sehen, aber du weißt, sie sind immer da.“

Und dafür bin ich wirklich sehr dankbar. Jeder lebt sein Leben. Das ist nunmal so. Aber wenn es hart auf hart kommt, weiß man, dass immer Verlass auf Freunde und Familie ist. Niemand kennt mich besser, niemand durchschaut mich besser, niemand hat mich mehr geprägt als sie. Wir haben so viel zusammen erlebt. Gutes aber auch Schlechtes und sowas schweißt zusammen. Sehr lange Rede und kurzer Sinn: Ich muss nicht unbedingt wissen, wer ich bin um meinen Weg zu gehen. Und auch wenn ich nicht weiß, wohin mein Weg führt und ich ihn letztendlich allein gehen muss, weiß ich, es steht immer jemand am Rand und feuert mich an. Danke dafür. Ist mir auch egal, ob das jetzt kitschig war, aber es musste einfach mal gesagt werden.

Und mal ehrlich, wer will schon in der Mitte seiner Geschichte wissen, wie es endet? Halte ich den Spannungsbogen also noch ein bisschen aufrecht und schiebe die Frage „Wer bin ich und wer will ich sein?“  noch etwas hinaus – am besten auf meine Midlifecrisis, wo sie hingehört.